Ist die Dividende der neue Zins?

In Zeiten niedriger Zinsen steht mancher Investor vor der Frage, wie er seinen Einkommensstrom aus festverzinslichen Wertpapieren in der aktuellen Situation konservieren kann. Die EZB wird ihm dabei keine große Hilfe sein. Denn sie wird auf absehbare Zeit die Zinsen weiterhin auf historisch niedrigem Niveau belassen. Ein höheres Zinslevel würde besonders die höher verschuldeten Staaten mit der gestiegenen Zinslast nachhaltig überfordern. Eine erneute Staatsschuldenkrise wie in 2010 soll durch eine weiter lockere Geldpolitik um jeden Preis vermieden werden.

Die erhoffte Zinswende bleibt also aus und ist auf absehbare Zeit verschoben. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach einem stabilen Einkommensstrom aus Wertpapieren nicht so einfach zu beantworten.

Fallende Erträge aus konservativen Anlagen…

Oft möchte ein Anleger ein bestimmtes Renditeniveau aus der Vergangenheit auch künftig erreichen. Er wählt dann oft intuitiv Anleihen mit einer (u.U. deutlich) niedrigeren Bonität, die ihm die aus der Vergangenheit bekannte Rendite versprechen. Dabei kann es durchaus zur Auswahl von sog. High-Yield-Anleihen oder Angeboten des grauen Kapitalmarktes kommen. Dabei läßt der Anleger – nur vom Blick auf die Rendite geleitet – das korrespondierende Risiko gänzlich ausser acht. Dabei sollte klar sein, dass kein Emittent/Schuldner freiwillig einen höheren Zins bezahlt. Es ist vielmehr so, dass der Markt diese höhere Verzinsung aufgrund der Risikobeurteilung des Schuldners verlangt. Eine höhere jährliche Verzinsung ist also kein wohlmeinendes Geschenk für den Anleger, sondern stellt vielmehr eine Entschädigung für einen eventuellen späteren Zahlungsausfall dar!

Die Marketing-Botschaft „Die Dividende ist der neue Zins“ führt den Anleger ebenfalls in die Irre. Wenn ein Anleger erkennt, dass ein Unternehmen eine höhere Dividende zahlt als es für seine Anleihen bietet, könnte er auf die Idee kommen, anstelle der Anleihe die Aktie zu kaufen. Doch auch bei dieser Strategie wird nur auf die Rendite bzw. den jährlichen Zahlungsstrom abgestellt. Das Risiko bleibt (möglicherweise) gänzlich unberücksichtigt.

… führen zu riskanterem Anlageverhalten!

Der Anleiheinvestor ist Gläubiger des Unternehmens. Somit kann er feste Zinszahlungen sowie die komplette Rückzahlung der Anleihe bei Fälligkeit erwarten (zumindest bei entsprechender Bonität). Er hat so auch im Insolvenzfall durch seine vorrangige Bedienung einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Aktionär. Denn dessen Lage stellt sich komplett anders dar: Als Aktionär ist er Eigentümer des Unternehmens und hat folglich zu keiner Zeit einen wie auch immer gearteten Rückzahlungsanspruch. Auch die Höhe der Dividende kann sich im Zeitablauf ändern oder gar komplett ausfallen. Schlimmstenfalls geht er bei Insolvenz gänzlich leer aus. Aus diesem Grund fallen auch die Schwankungen einer Aktie im Vergleich zu einer Anleihe desselben Unternehmens in aller Regel deutlich höher aus.

Der obige Slogan, der die Dividende vereinfachend mit dem Zins gleichsetzt, führt somit in die Irre. Auch bürdet er dem unbedarften Anleger Risiken auf, die er möglicherweise in der Form gar nicht eingehen wollte.

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